Gesichtsblindheit ist eine Wahrnehmungsschwäche, durch die es Betroffenen sehr schwerfällt, Gesichter wiederzuerkennen.

Du kennst sicher einige Menschen, die sich nur schlecht Namen merken können. So ähnlich ist das auch bei Gesichtsblindheit, nur eben mit Gesichtern anstatt mit Namen. Gesichtsblinde können sich nur sehr schwer an ein Gesicht erinnern. Selbst nach mehrmaligen Begegnungen ist das Wiedererkennen oftmals sehr schwierig.

Über 2 % der Bevölkerung sollen laut einer Studie gesichtsblind sein.

Der Fachbegriff dieser Wahrnehmungsschwäche lautet Prosopagnosie, was sich aus Prosopon (= Gesicht), Agnosie (= nicht erkennen) zusammensetzt.

Erkennungsmerkmale für Gesichtsblinde

Gesichtsblinde nutzen vielfältige Erkennungsmerkmale, um eine Person zuordnen zu können. Die Frisur, der Kleidungsstil, auffälliger Schmuck, die körperliche Statur, die Tönung der Haut oder andere Auffälligkeiten wie der Gang einer Person werden genutzt.

Jedoch ändern sich diese Merkmale häufig und sind nicht eindeutig.

Wird eine bekannte Person an einem Ort angetroffen, wo sie “erwartet” wird, klappt das Erkennen oft besser. Beispielsweise ist das Erkennen eines Nachbarn im Hausflur viel einfacher als auf der Straße.

Besonders schwierig ist das Wiedererkennen von flüchtigen Bekanntschaften wie Arbeitskollegen oder Nachbarn, wenn diese an einem Ort auftauchen, wo sie nicht unbedingt erwartet werden.

Das kann für Betroffene nicht nur zu unangenehmen oder peinlichen Situationen führen, sondern auch Stress und soziale Ängste auslösen.
Deshalb ist eine breite Aufklärung zu diesem Thema extrem wichtig!

Denn selbst Betroffene wissen nicht immer von dieser Wahrnehmungsschwäche. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Einschränkung auch in den sozialen, pädagogischen und medizinischen Bereichen kaum bekannt ist.

Bisher bekennen sich nur wenige Betroffene öffentlich als gesichtsblind. Die bekanntesten Gesichtsblinden in der westlichen Welt sind übrigens Brad Pitt und Victoria von Schweden.

Gesichtsblind zu sein bedeutet jedoch nicht, überhaupt keine Gesichter zu sehen oder sich niemals an ein Merkmal aus einem Gesicht zu erinnern.

Wie "fühlt" sich Gesichtsblindheit an?

Es ist für Menschen, die nicht gesichtsblind sind, manchmal schwierig, sich in gesichtsblinde Personen hineinzuversetzen.
Doch dieser kleine Trick kann helfen!

Erkennst du sofort, wer auf diesem Bild zu sehen ist?

Gesichter umgedreht (die Auflösung, wer auf den Bildern zu sehen ist, findest du ganz unten auf dieser Seite)

Von schwerer Prosopagnosie bis hin zum Super Recognizer

Wichtig zu verstehen ist, dass Prosopagnosie nicht gleichermaßen ausgeprägt ist bei gesichtsblinden Personen.

Innerhalb der Bevölkerung ist die Fähigkeit, Gesichter zu erkennen, ein Spektrum von sehr gut bis ganz schlecht. Die meisten Menschen sind irgendwo zwischen diesen beiden Extremen.

Gesichtsblinde sind am unteren Ende dieses Spektrums angesiedelt und erkennen nur selten bis gar nicht Menschen am Gesicht wieder.

Die Gesichtsblindheit selbst ist dabei ebenfalls unterschiedlich stark ausgeprägt: Manche haben eine eher leichte Form und erkennen häufig flüchtige Bekannte nicht am Gesicht wieder. Andere haben dagegen große Schwierigkeiten, ihre eigenen Eltern, enge Verwandte und enge Freunde wiederzuerkennen.

Manchmal wird eine Einteilung in eine leichte, mittlere und schwere Prosopagnosie genannt. Dabei lässt sich nicht genau festmachen, wo diese Stufen beginnen und enden, da es fließende Übergänge sind.

Diese Abstufung kann aber hilfreich für die Selbsteinschätzung sein (in unserem Online-Test wird zum Abschluss des Fragebogens ebenfalls eine Einstufung vorgenommen, die jedoch keine Diagnose ersetzen kann).

Am anderen Ende des Spektrums (sehr gute Fähigkeit, Gesichter zu erkennen) sind übrigens die Super Recognizer. Diese erinnern sich noch viele Jahre nach einer kurzen Begegnung an ein Gesicht.
Super Recognizer werden daher vereinzelt bei der Polizei eingesetzt, um selbst auf verwackelten Aufnahmen Personen zu identifizieren - mit weitaus höherer Erfolgsquote als Computerprogramme zur Gesichtserkennung.

Sind Betroffene von Geburt an gesichtsblind?

Ja und nein. Prosopagnosie kann angeboren sein (kongenitale Prosopagnosie). Es wird vermutet, dass es eine genetische Ursache in vielen Fällen gibt und somit in manchen Familien häufiger vorkommt.
In betroffenen Familien wird Gesichtsblindheit nicht an jedes Kind weitergegeben. Es gibt aber eine erhöhte Chance. Deshalb sollten Eltern, von denen mindestens ein Elternteil gesichtsblind ist, früh beobachten, ob das eigene Kind ebenfalls Probleme hat, Gesichter zu erkennen.
Alternativ wird von entwicklungsbedingter Prosopagnosie gesprochen. Diese umfasst neben der vererbten Gesichtsblindheit auch Entwicklungsstörungen der Gesichtserkennung bei Säuglingen.

Allgemein kann festgehalten werden, dass kongenitale und entwicklungsbedingte Prosopagnosie eine Lernstörung ist: Gesichter werden gesehen, aber sofort wieder vergessen.

Daneben gibt es die erworbene Prosopagnosie. In diesem Fall entsteht Gesichtsblindheit z. B. durch eine Fehlentwicklung, als Folge eines Unfalls oder eines Schlaganfalls.

Vier Kategorien von Gesichtsblindheit

Eine interessante Einordnung von Prosopagnosie in vier verschiedene Kategorien hat die Ruhr-Uni Bochum veröffentlicht. Ganz grob lassen sich die vier Kategorien wie folgt beschreiben (hier geht’s zum kompletten Originaltext):

  • Gesichtsblindminimum: Diese Personen haben manchmal Schwierigkeiten, Gesichter zu erkennen, wenn eine Person an einem Ort auftaucht, wo sie nicht erwartet wird. Die Beeinträchtigung wird eher als harmlos angenommen.
  • Gesichtsfeldlücken: Gesichter werden nur sehr undeutlich wahrgenommen, weil es Lücken im Gesichtsfeld (der sichtbare Bereich, ohne die Augen zu bewegen) gibt.
  • Gesichtsvergessen: Gesichter werden deutlich wahrgenommen, jedoch vergessen Betroffene dieser Kategorie ein bestimmtes Gesicht innerhalb von Minuten wieder.
  • Gesichtsidentität: Gesichter werden nur als vage Fläche erkannt, deshalb werden verschiedene Gesichter häufig als identisch angesehen.

Welche Begleiterscheinungen kann Prosopagnosie haben?

Es gibt Begleiterscheinungen bei Prosopagnosie. Eine Minderheit von Gesichtsblinden hat Schwierigkeiten, (subtile) Emotionen am Gesicht abzulesen. Außerdem haben einige Probleme damit, die Geschlechtsidentität oder das Alter am Gesicht zu erkennen. Zusätzlich kann die räumliche Orientierung beeinträchtigt sein und die Wegfindung selbst im nahen Umfeld zu großen Herausforderungen führen.
Mehr Infos dazu findest du hier bei uns.

Wie fühlt sich Gesichtsblindheit an? ... Die Auflösung!

Hier siehst du das gleiche Bild von oben, nur stehen diesmal die Gesichter nicht auf dem Kopf.

Gesichter - die Auflösung Auf dem Bild sind George Clooney, Harrison Ford und Mel Gibson zu sehen.

Es ist viel schwieriger, die Identität eines Gesichtes auf Anhieb zu erkennen, wenn das Gesicht auf dem Kopf steht. Vielleicht kannst du dich nun ein wenig besser in unsere Wahrnehmungsstörung hineinversetzen. Denn Gesichtsblinde haben immer Schwierigkeiten damit, Gesichter zu erkennen - egal, ob auf dem Kopf oder richtig herum .

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