Gesichtsblindheit (Prosopagnosie) ist eine Wahrnehmungsschwäche, bei der die Fähigkeit, Gesichter zu erkennen, beeinträchtigt ist.
Interessanterweise kommt die geringe Fähigkeit, Gesichter zu erkennen, unter Autisten häufiger vor.
Gibt es einen Zusammenhang?
Gesichtsblindheit im Zusammenhang mit Autismus
Bislang wurde auf dieser Seite von Asperger Autismus gesprochen. Jedoch gilt die Einordnung des Autismus in verschiedene abgegrenzte Kategorien als veraltet, da die Übergänge fließend sind. Daher sprechen wir an dieser Stelle von Autismus-Spektrum-Störung (ASS) oder ganz allgemein von Autismus (auch wenn Ausperger Autismus als Kategorie weiterhin üblich ist).
Autismus zeigt sich unter anderem durch Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion und durch repetitive Verhaltensmuster.
Nicht selten haben Autisten zudem Schwierigkeiten, Gesichter zu erkennen: Die Ursachen sind hierbei jedoch meistens andere als bei der kongenitalen (angeborenen) bzw. entwicklungsbedingten Prosopagnosie.
Bei autistischen Menschen kann die Ursache für die Gesichtsblindheit auf Reizüberflutung zurückgeführt werden. Autistische Babys und Kinder werden mit einer überwältigenden Menge an sensorischen Reizen konfrontiert. Das kann dazu führen, dass sie Gesichter nicht direkt anschauen und somit die Fähigkeit, Gesichter zu erkennen, nicht ausreichend trainieren. Gesichtsblindheit / Prosopagnosie gilt somit als Komorbidität (begleitende Störung) bei Autismus.
Im Gegensatz dazu liegt bei der allgemeinen Prosopagnosie die Ursache in einer Lernstörung.
Kinder mit Prosopagnosie können Gesichter anschauen, allerdings haben sie Schwierigkeiten, diese wiederzuerkennen. Die Merkmale eines Gesichts werden wahrgenommen, aber sofort wieder vergessen. Das ist zumindest in den meisten Fällen so. Es gibt auch andere Formen von Prosopagnosie, in denen das Gesicht nicht deutlich wahrgenommen wird (siehe Abschnitt Vier Kategorien von Gesichtsblindheit).
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Diese Erkennungsfähigkeit von Gesichtern fehlt bei autistischen Kindern somit nicht unbedingt, die Schwierigkeiten liegen dagegen in der Aufnahme und Verarbeitung der visuellen Informationen.
Autisten können außerdem Schwierigkeiten haben, Gesichtsausdrücke und Emotionen angemessen zu interpretieren.
Viele gesichtsblinde Menschen können dies zwar problemlos: Aber auch hier kann ein Defizit im Erkennen von Emotionen als Begleiterscheinung auftreten und ist daher nicht nur im autistischen Spektrum zu finden
Gemeinsamkeiten im Verhalten bei Kindern
Eine Verbindung zwischen Gesichtsblindheit und Autismus liegt in den ähnlichen Verhaltensweisen, die bei Kindern beider Gruppen auftreten können. Sowohl Kinder mit Gesichtsblindheit als auch autistische Kinder schauen in Gesprächen oftmals nicht direkt die andere Person an.
Der Unterschied liegt jedoch im Grund dieses Verhaltens.
Kinder mit Gesichtsblindheit tun dies möglicherweise, weil sie nicht wissen, dass es üblich ist, im Gespräch Blickkontakt aufzunehmen. Für sie haben Gesichter eine geringere Bedeutung, weil sie die Merkmale eines Gesichts so schnell wieder vergessen.
Das Aufnehmen von Blickkontakt als gesellschaftlich gewünschtes Verhalten kann jedoch erlernt werden, da es auf einem Missverständnis basiert.
Kinder mit Autismus hingegen haben oft Schwierigkeiten mit dem Blickkontakt aufgrund der intensiven Reize, die dies für sie unangenehm machen.
Das Erlernen dieser sozialen Norm kann für autistische Kinder eine große Herausforderung darstellen, weil es nicht nur auf einem Missverständnis beruht, sondern auf einer tief verwurzelten Empfindlichkeit gegenüber sensorischen Reizen.
Autismus vs. Gesichtsblindheit: Fehldiagnosen bei Kindern
Problematisch bei der Überschneidung zwischen Gesichtsblindheit und Autismus ist die Möglichkeit von Fehldiagnosen.
Es kommt vor, dass gesichtsblinde Kinder fälschlicherweise für Autisten gehalten werden, obwohl dies nicht zutrifft. Der fehlende Blickkontakt wird dabei im Zusammenhang mit Autismus gesehen. Durch das Nicht-Erkennen von bekannten Personen werden diese zudem nicht gegrüßt und das Kind gilt als unsozial - was für Kinder aus beiden Welten (Autismus und Prosopagnosie) problematisch ist.
Wenn der Verdacht auf Autismus falsch ist, kann das leicht ausgeräumt werden, indem typische Merkmale von Autisten mit den anderen Verhaltensweisen des gesichtsblinden Kindes verglichen werden. Im Zweifelsfall sollte ein ärztliches Gespräch in Erwägung gezogen werden.
Aber Achtung: Viele Ärzte haben aufgrund mangelnder Aufklärung noch nie von Prosopagnosie gehört und müssen aktiv informiert werden.
Im Umgang mit Gesichtsblindheit helfen Bewältigungsstrategien und insbesondere Aufklärung im persönlichen Umfeld, damit sich Kinder in sozialen Situationen wohler fühlen und das Selbstbewusstsein gestärkt wird.
Im Fall von Autismus ist dagegen ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich, der die gesamte Bandbreite der Herausforderungen, die mit dieser Veranlagung verbunden sind, berücksichtigt. Frühzeitige Interventionen, die sich auf die Entwicklung sozialer Fähigkeiten, Kommunikation und Verhalten konzentrieren, können dabei helfen, die Lebensqualität autistischer Kinder erheblich zu verbessern.
Kommst du mit beiden Welten, Autismus und Gesichtsblindheit, in Berührung - sei es durch eigene Veranlagung oder im persönlichen Umfeld?
Schreib uns gerne über deine Erfahrungen.